Am 3. Februar trafen sich über 160 Teilnehmer:innen aus 14 europäischen Ländern im virtuellen Konferenzraum der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) und viadonau, um sich über das Thema Landstrom an Liegestellen auszutauschen.
Hans-Peter Hasenbichler, Geschäftsführer von viadonau, und Yann Quiquandon, als Vertreter der französischen ZKR-Präsidentschaft, eröffneten den Workshop und umrissen in ihren Grußworten die Herausforderungen, vor denen die Binnenschifffahrt in den kommenden Jahren stehen wird. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Emissionsreduzierung und die damit zusammenhängende Anpassung der Infrastruktur. Das Ziel, eine emissionsfreie Binnenschifffahrt bis 2050 zu erreichen, betrifft nicht nur die Antriebsanlagen der Binnenschiffe, sondern auch die Energieversorgung zum Betrieb der Anlagen an Bord während des Liegens an Liegestellen. Es müssen gemeinsame Anstrengungen unternommen werden, um sowohl Treibhausgas-, Schadstoff- als auch Lärmemissionen zu reduzieren bzw. größtenteils zu eliminieren. Nicht zuletzt stellt dies einen wichtigen Beitrag dar zur Akzeptanz und damit zum Erhalt von Liegestellen insbesondere im innerstädtischen Bereich.
Standards und Normen
Als Einstieg in den Workshop wurde der Stand der Entwicklung der land- und schiffsseitigen europäischen Normen sowie der Stand des Aufbaus von Landstromanschlüssen in den Niederlanden und den dort eingesetzten Standards präsentiert. Es wurde betont, dass nicht nur eine internationale Standardisierung des Landstromanschlusses, sondern auch eine Vereinheitlichung des Bedien- und Bezahlsystems sowie eine Schließung der aus Sicht der Teilnehmer:innen noch bestehenden Normungslücken, zum Beispiel für elektrische Anschlüsse mit Stromstärken zwischen 125 und 250 Ampere, erforderlich ist.
Benutzer-Perspektive
Aus der Perspektive der Benutzer:innen wurde über praktische Erfahrungen mit der Nutzung von Landstromanschlüssen berichtet. Insbesondere wurde die Frage nach der Bedienfreundlichkeit der Landstromanlagen aufgeworfen, beispielsweise hinsichtlich der technischen Verfügbarkeit, der Vereinheitlichung der Anschlüsse, aber auch hinsichtlich erforderlicher Ansprechpartner bei technischen Problemen. Es bestand Konsens bei den Vertreter:innen des Binnenschifffahrtsgewerbes darüber, dass die Liegestellen als ein Teil des Gesamtsystems Binnenschifffahrt gedacht werden müssen. Liegestellen haben eine bedeutende Rolle für die Schifffahrt, insbesondere für die Besatzung. Dabei sollten auch die Bedürfnisse des Menschen in das Zentrum des Systems Binnenschifffahrt gerückt werden. Dies bedeutet, dass nicht zuletzt auch die Arbeitssicherheit und der Gesundheitsschutz der Binnenschiffer:innen im Vordergrund stehen muss.
Anbieter-Perspektive
Erste Erfahrungen aus Pilotprojekten zur Ausstattung von Liegestellen mit Landstrom liegen vor und weitere Pilotvorhaben sind in Planung. Vertreter:innen von Behörden und Betreibern wiesen auf den Handlungs- und Klärungsbedarf zu betrieblichen, technischen und praktischen Aspekten hin, zum Beispiel zu ausreichenden Stromstärken oder auch zur Kabelverlegung beim Liegen in doppelter Breite. Es zeigte sich, dass noch nicht auf alle Fragen Antworten vorliegen und weiterhin Bedarf für gegenseitigen Informationsaustausch über den Binnenschifffahrtsektor hinaus besteht. Die schiffsseitigen Anforderungen und Randbedingungen müssen mit denen der Infrastruktur landseitig wechselseitig betrachtet und gemeinsam entwickelt werden. Nicht zuletzt muss im Blick behalten werden, wie sich die schiffsseitige Ausstattung mit Akkumulatoren zur autarken Stromversorgung während des Liegens entwickeln wird.
Landstrom für den Antrieb
Der Workshop lenkte den Blick auch auf andere zukünftige Herausforderungen. Es wurde die Frage gestellt, wie die zukünftigen Antriebsformen aussehen werden. Die Roadmap der ZKR gibt hierzu erste Hinweise. Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren der Bedarf nach Strom für den Antrieb steigen und dies die landseitigen Stromnetze vor neue Herausforderungen stellen wird. Eine weitere Herausforderung wird darin bestehen, nachhaltig produzierten Strom der Binnenschifffahrt in ausreichender Menge verfügbar machen zu können. Die zukünftigen Entwicklungen müssen auf jeden Fall weiter aufmerksam verfolgt werden.
Podiumsdiskussion
In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer:innen einig, dass die Versorgung der Schiffe an den Liegestellen mit Landstrom einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Emissionsziele und zur Zukunftsfähigkeit der Binnenschifffahrt liefert, nicht zuletzt im Kontext der Roadmap der ZKR und des Europäischen „Green Deals“. Die Teilnehmer:innen appellierten, dass Unterstützung durch die Staaten und die Europäische Kommission für eine erfolgreiche Umsetzung unerlässlich ist. Es müssen Partnerschaften gebildet und es muss außerhalb gewohnter Muster gedacht werden. Bei den Liegestellen – wie auch bei anderen Aspekten die Binnenschifffahrt betreffend – sollte ein Korridoransatz verfolgt werden, um zum Beispiel die Verteilung der Landstromanschlüsse mit dem Bedarf in Einklang zu bringen.
Fazit
Der Workshop war ein Element in einer Reihe von Aktivitäten, die mit dem durch die ZKR und viadonau 2018 in Wien organisierten Workshop zum Thema Liegestellen begannen und die gemeinsam im Interesse der Rheinschifffahrt und europäischen Binnenschifffahrt vorangebracht werden müssen. Mit diesen Aktivitäten unterstützen beide Organisationen die zentrale Forderung seitens der Vertreter der Binnenschifffahrt nach einer international abgestimmten Umsetzung und nach einem offenen Dialog mit den Beteiligten.
Der Workshop lieferte zu den verschiedenen Fragestellungen wichtige Impulse und bot eine Plattform für eine offene Diskussion aller am Wasserstraßentransport Beteiligten. Es liegt noch viel Arbeit vor den Entscheidungsträger:innen und Planer:innen. Die Herausforderungen sollten gemeinsam angegangen und die Lösungen international und interdisziplinär abgestimmt werden. Die Binnenschifffahrt spielt bei der Bewältigung der Folgen des Klimawandels eine wichtige Rolle und muss daher intensiv unterstützt werden.
Informationen zum Workshop sowie die Präsentationen finden Sie auf der Webseite der ZKR.