Im Fluss

Jahrhunderte lang waren Eisstöße auf der Donau berüchtigt. Was damals noch eine durchaus regelmäßig auftretende Winterattraktion der Donau war, tritt in unserer modernen Zeit so gut wie kaum mehr auf. Im Winter 2015/2016 gab es auf der österreichischen Donau nicht einmal Randeisbildung, geschweige denn, dass ein Streckenabschnitt hätte gesperrt werden müssen. Was gut für die Schifffahrt ist, muss aber nicht gleichzeitig auch gut für die Flora und Fauna der Donau sein.

Eisstoß bei der Reichsbrücke, Februar 1929

Eisstoß bei der Reichsbrücke, Februar 1929 (mit freundlicher Unterstützung des Bezirksmuseums Brigittenau)

Der Verein „Verkühle dich täglich“ beim Eisstoß an der Reichsbrücke 1929

Der Verein „Verkühle dich täglich“ beim Eisstoß an der Reichsbrücke, Ansichtskarte, 1929 (mit freundlicher Unterstützung des Bezirksmuseums Brigittenau)

Was ist nun aber der berüchtigte Eisstoß? Nach einer längeren Kälteperiode (ca. 1 Woche lang kälter als -10°C Lufttemperatur) beginnt die Donau mit der Eisbildung. Zuerst sammelt es sich im seichteren und weniger tiefen Uferbereich und tritt als Randeis in Erscheinung. Später kommt es zu einem Eistreiben, bis schließlich die gesamte Oberfläche zufriert. In den Häfen liegen die Eisbrecher, wie im Wiener Hafen der „Eisvogel“, um die Hafenbecken eisfrei zu halten, doch auf der freien Fließstrecke der Donau fährt kein Eisbrecher. Warum? Die Gefahr eines Eisstoßes wäre zu hoch. Dieser tritt nämlich dann auf, wenn die von der Donau bewegten Eisschollen mit ungeheurer Wucht beginnen, sich meterhoch unter- und übereinander aufzustapeln.

Was macht man aber dann mit den meterhohen Eisbergen, die sich auf der Donau stapeln? Immerhin ist die Gefahr für Brücken, Schiffe und Stegeinrichtungen nicht von der Hand zu weisen. Mit Arbeitsgeräten wie Baggern lässt sich dem Eisstoß nicht beikommen, da er ständig in Bewegung ist. Also lautet die einzige Lösung: Sprengung, was aber naturbedingt nicht eben sehr risikoarm ist.

Nach dem Eis kommt das Hochwasser
Eine mit dem Eisstoß verbundene Gefahr ist das darauf folgende Hochwasser. Denn die Eismassen müssen ja irgendwohin, wenn sie auftauen. So haben rasche Temperaturerhöhungen nach einer längeren Kälteperiode schon immer die Hochwasserdienste in Alarmbereitschaft gehalten. Außerdem wirkt eine rasche Temperaturerhöhung nach einer langen Frostperiode auf der Donau wie ein Eisbrecher. Es werden Eisschollen gebildet, die sich dann über- und untereinander stapeln und so zu einem Eisstoß führen können.

Dass Eisstöße auch sehr gefährlich sein können, zeigt die Bilanz vom Eisstoß, der sich im Jänner 1830 bildete, als die Temperaturen auf -22° Celsius sanken. Dieser hielt nämlich über einen Monat an, bis Ende Februar plötzlich Tauwetter einsetzte. Die Folgen waren katastrophal, so wurde die wichtigste Verkehrsverbindung über die Donau zu dieser Zeit, die große Taborbrücke, zerstört, man zählte 74 Tote sowie 681 zerstörte bzw. schwer beschädigte Häuser.

Auch in den darauffolgenden Jahrzehnten endeten noch mehrere Eisstöße mit heftigen Überschwemmungen, vor allem in den Jahren 1862 und 1871, sodass Pläne zur Regulierung der Donau immer dringender wurden. Diese wurde 1875 abgeschlossen und die Donau erhielt ein neues Strombett. Die zahlreichen Seitenarme im Wiener Bereich, mit Ausnahme des Donaukanals, wurden zugeschüttet, was der Donau einen geradlinigeren Verlauf bescherte und zur Folge hatte, dass die Donau nicht mehr so einfach zufrieren konnte.

Das Naturschauspiel von 1929
Nach diesen baulichen Veränderungen hatte man die zerstörerische Kraft der zugefrorenen Donau schon etwas besser im Griff, sodass man sich mehr dem verzaubernden Naturschauspiel widmen konnte. So berichtete die „Neue Freie Presse“ damals: „Es ist ein aufregend schönes Schauspiel, dem Aufbau des Eisstoßes bei der Nussdorfer Schleuse zuzuschauen oder den bereits zu mächtiger Höhe gewachsenen Eisstoß bei der Reichsbrücke zu betrachten, der wie ein vielfach zerklüfteter, im hellen Sonnenschein wie Silber glänzender Panzer den mächtigen Strom in Fesseln geschlagen hält.“

Heuer nicht einmal Randeisbildung
Im heurigen Winter gab es nicht mal Randeis. Sollten die Winter anhaltend milder werden, ist es auch fraglich, ob ein solches Naturereignis überhaupt noch einmal auftritt. Eisstöße wären dann unwahrscheinlicher, da die mögliche Länge auch durch die inzwischen errichteten Staustufen und Schleusen begrenzt wird. Im Februar 2012 trat das Phänomen in abgeschwächter Form in Serbien auf. Im Jahr 2006 gab es im Bereich Wien einen kleineren Eisstoß, von dem Fotos im Internet zu finden sind.

Weiterführende Links:
Kältewelle in Serbien 2012 
Eis auf der Wiener Donau 2006 
Der Gletscher von Wien 
Eiszeit in Wien


Der Autor

Christoph Trunk ist im Team DoRIS Betrieb tätig und betreut dort unter anderem die DoRIS-Webseite sowie die damit in Verbindung stehenden Webservices.